Antike Sprachen zum Leben erwecktPreisvergabe im Wettbewerb Certamen Rheno-Palatinum

Meisenheim. Der 37. Landeswettbewerb Alte Sprachen Certamen Rheno-Palatinum (CRP) fand in Meisenheim seinen feierlichen Höhepunkt: 17 junge Leute der gymnasialen Jahrgangsstufen 11 und 12 erhielten Auszeichnungen für besondere Leistungen in Latein und Altgriechisch sowie eine Reihe von Sonderpreisen. Gastgeberin des festlichen Rahmens war das Paul-Schneider-Gymnasium (PSG).

Was motiviert junge Frauen und Männer, sich intensiv mit den Sprachen längst untergegangener Kulturen zu beschäftigen? In der Schule wählen sie statt gängiger Fremdsprachen Griechisch und Latein. Alexander David Laux hatte darauf in seiner Rede aus Sicht der Preisträger eine gleichermaßen nachvollziehbare wie engagierte Antwort. „Latein ist nicht nur etwas für Nerds“, hielt er seinen Klassenkameraden entgegen, die wenig Verständnis dafür aufbrachten, dass er sich bei der Wahl der zweiten Fremdsprache nicht für Französisch, sondern für Latein entschied. „Forum Romanum statt Eiffelturm – ich habe die damalige Wahl nicht bereut, auch wenn es keine Begegnung mit einem römischen Austauschschüler gab“, betonte er. Die Beschäftigung mit der lateinischen Grammatik habe ihm zudem seine Muttersprache neu erschlossen.

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Das Paul-Schneider-Gymnasium war Gastgeber der Preisverleihung des 37. Wettbewerbs Certamen Rheno-Palatinum. Preisträger und Juroren feierten das Engagement der jungen Leute für alte Sprachen. (Foto: Marion Unger)

 

Alexander Laux demonstrierte eindrucksvoll, wie es jungen Leuten gelingen kann, eine vermeintlich tote Sprache zum Leben zu erwecken. In den Schriften von Seneca, Plinius oder Plato entdeckten er und seine Mitbewerber Bezüge zur Gegenwart und brachten sie in ihren Hausarbeiten ans Licht. Damit verbunden war die Erkenntnis, „wie dumm wir sind, dass wir die gleichen Fehler machen wie die Menschen vor 2000 Jahren“. Damit sprach er die Themen der Hausarbeiten an, Aufgaben der zweiten Stufe des Wettbewerbs. Allesamt stellten sie Bezüge zur Gegenwart her. Es ging um den Umgang mit der Natur, die Entführung von Schutzbefohlenen und die Betrachtung von Verhaltensweisen von Tyrannen.

Dieses Thema griff Juan Carlos Scheid (Albert-Schweitzer-Gymnasium Kaiserslautern) in einer Podiumsdiskussion, moderiert von CRP-Koordinator Dr. Hartmut Wilms (Bad Sobernheim), auf und stellte dar, wie bereits Platon die schlechten Charaktereigenschaften von Tyrannen beschrieben hatte. Er zog damit eine Parallele zu den immer zahlreicher werdenden autokratischen Staatslenkern unserer Tage. „Die Demokratie ist ein Erbe der Antike“, stellte Heidi Christine Renné (Rabanus-Maurus-Gymnasium Mainz) klar. Ihren Kritikern müsse die Stabilität dieser Staatsform entgegengehalten werden. Auch zum Thema Umweltschutz hat sie in den Schriften von Plinius Parallelen entdeckt. „Damals wurden ganze Wälder für den Schiffbau abgeholzt und wir sind heute mit ganz ähnlichen Problemen konfrontiert.“ Jungen Menschen die Begeisterung für die Antike und ihre Sprachen weiterzugeben, sah Dr. Klaus Sundermann, Leiter der Gymnasialabteilung im rheinland-pfälzischen Bildungsministerium, als besondere Herausforderung an. Zusammen mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des Deutschen Altphilologen-Verbands, Hans-Joachim Pütz, überreichte er den Preisträgern ihre Urkunden.

Kaum ein anderer Ort als Meisenheim mit seinem reichen kulturellen Erbe hätte besser geeignet sein können für die Feier. Dabei präsentierte sich das Paul-Schneider-Gymnasium als perfekter Gastgeber. Die 1948 gegründete älteste Schule der Evangelischen Kirche im Rheinland sieht sich in der Tradition der von Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken 1558 gegründeten Lateinschule, wie Schulleiterin Karin Hofmann in ihrer Begrüßung zum Festakt im Haus der Begegnung erklärte. Aus dieser Tradition, verknüpft mit einem aus dem Geist der Reformation erwachsenen Bildungsverständnis, entstand eine moderne Schule. „Sie verbindet Altes und Neues und hat stets die Gegenwart im Blick“, betonte Karin Hofmann.

Bei aller Freude über das Engagement der Preisträgerinnen und Preisträger wurde dennoch deutlich, dass alte Sprachen im Lehrplan eine Nische besetzen. Es lohne sich jedoch, immer wieder für sie zu kämpfen, stellten die Veranstalter des CRP einhellig fest.

Marion Unger

 

Info: Landeswettbewerb Certamen Rheno-Palatinum

Der Landesschülerwettbewerb Certamen Rheno-Palatinum (CRP) wird jedes Jahr vom Bildungsministerium zusammen mit dem Landesverband der Altphilologen ausgeschrieben. Er richtet sich an besonders begabte und an Latein und Altgriechisch interessierte Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 11 und 12 rheinland-pfälzischer Schulen. Neben der Förderung der jungen Leute, die sich den alten Sprachen verschrieben haben, will der CRP den Bezug der Antike zu Fragestellungen der heutigen Zeit deutlich machen.

Die Auswahl der mit dem Preis Ausgezeichneten erfolgt in zwei Stufen. Dazu gehören eine Klausurarbeit zu Übersetzung und Interpretation, eine schriftliche Hausarbeit und schließlich ein Kolloquium an der Mainzer Universität. Den Besten der ersten und zweiten Stufe winken Geld- und Buchpreise, in der letzten Runde Stipendien der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Förderer sind die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer in Rheinland-Pfalz, die Herzog-Wolfgang-Stiftung Zweibrücken, der Philologenverband sowie Städte, Zeitungen und Verlage.

 

Die Preisträger:

Heidi Christine Renné,

Angela Ullrich,

Chrysovalantis Molotsios,

Juan-Carlos Scheid,

Paulina Marx,

Lukas Hesch,

Josephine Kimmel,

Paula Büttner,

Vivien Fuchs,

Alexander David Laux,

Saskia Scharbach,

Tafier Mohamed,

Maren Schon,

Lioba Daniela Schlaf,

Marie Stenger,

Fabian Keller und

Leif Haupt.

 

 

Rede am Festakt des 37. CRP am 22.05.2023 in Meisenheim, 14 Uhr  – Gedanken zum Wettbewerb aus Sicht eines Preisträgers, Alexander Laux

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Gedanken zum Wettbewerb aus Sicht eines Preisträgers, Alexander Laux (Foto: Marion Unger)

 

 

Sehr geehrter Landeswettbewerbsleiter Dr. Wilms, sehr geehrte Förderer und Donatoren, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, sehr geehrte Eltern, sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,

liebe Freunde der Alten Sprachen

vielen Dank für die Möglichkeit, heute hier in Meisenheim einige Worte an Sie richten zu dürfen: Ich möchte Sie teilhaben lassen an meinen Gedanken zum Wettbewerb der Alten Sprachen. Mit der Entscheidung, eine Alte Sprache zu erlernen, trifft man oft auf fragende Gesichter und Unverständnis.

Obendrein werde ich sogar angeschaut, als ob ich für meine Entscheidung, Latein gewählt zu haben, seit sechs Jahren büßen müsste:

„Latein ist tot. Wofür noch Latein? Was bringt dir Latein? Ein Paukfach? Hast du sonst keine Hobbys? Das ist doch nur was für Streber! Lateinische Übersetzungen sind unverständlich! Certamen Rheno – was für ein Ding? Ein Wettbewerb über eine tote Sprache? Mach doch lieber Jugend forscht, das bringt was und hat Zukunft. Lern doch lieber eine moderne Fremdsprache, mit Schüleraustausch! Die alten Römer kommen dich ganz sicher nicht besuchen!“

Solche und ähnliche Aussagen begegnen mir, Alexander Laux, Schüler des Bischöflichen Willigis-Gymnasiums in Mainz, seit der sechsten Klasse, seit meinem ersten Lateinjahr. Und ich bin mir sicher: Ich bin nicht der Einzige in diesem Gebäude, dem solche Vorurteile, die sich ebenso auf das Altgriechische übertragen lassen, begegnen.

Aber wie konnte ich eine andere Fremdsprache als Latein wählen? Als Bürger von Moguntiacum, wo man kein Haus bauen kann, ohne Römerschiffe freizulegen, kein Unkraut jäten kann, ohne Münzen oder Gegenstände des Alltags zu entdecken; wo man noch nicht einmal am Rosenmontag die Vergangenheit der Stadt leugnen und ignorieren kann.

Meine erste Begegnung mit den Römern und dem Lateinischen liegt dabei schon einige Jahre zurück. In meiner Kindergartenzeit begegnete ich am Römertag im Mainzer Landesmuseum echten römischen Legionären und aß römische Linsensuppe, zeitgleich bastelten wir für den Jugendmaskenumzug in Mainz Römer-Kostüme. Seit diesem Zeitpunkt war mein Interesse am alten Rom nicht zu bremsen.

Als in der fünften Klasse schließlich die Frage aufkam, welche zweite Fremdsprache ich lernen  würde, musste ich mich entscheiden: Forum Romanum oder Place de la Concorde, Colosseum oder Eiffelturm, Pinienkerne oder Baguette – Latein oder Französisch.

Der Familientradition entsprechend hätte ich Französisch gelernt, immerhin waren wir schon oft in Frankreich im Urlaub gewesen und auch meine ältere Schwester hatte – wie meine Eltern – als zweite Fremdsprache Französisch gelernt.

Für mich aber war schnell klar, dass es Latein werden sollte. Französisch – wurde dann eben die dritte Fremdsprache…

Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, stehe ich hier und kann meine damalige Wahl überhaupt nicht bereuen: Ja, Latein wird nicht aktiv gesprochen und es wird mich auch kein römischer Austauschschüler besuchen. Ja, Latein ist ein Fach, in dem man logisch denken sollte und das auch anstrengend und mit Arbeitsaufwand verbunden ist.

Andererseits wird in Latein immer in der Muttersprache gesprochen, durch die Grammatik in Latein habe ich meine Muttersprache vertieft und wertvolle Kenntnisse gewonnen.

Gerade daher sei Latein beispielsweise bei Nicht-Muttersprachlern beliebt, hob der Berliner Universitätsprofessor Stefan Kipf letztes Jahr im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL hervor.

Latein ist weiterhin der Ursprung der romanischen Sprachen, baut ein Kulturverständnis auf und bietet eine Grundlage für ein breites Allgemeinwissen. Latein schärft zudem das analytische Denken.

Aber – und hierin liegt mein favorisierter Aspekt an der lateinischen Sprache begründet – : Latein ist lebendig. Latein ist gegenwärtig. Latein ist zukünftig und Latein ist nicht nur für Nerds.

Es ist dieser universelle Gegenwartsbezug des Lateinischen, der mich fasziniert: Sei es bei Cicero, der in seiner Schrift De re publica den idealen Staatsmann charakterisiert – das Gros der heutigen Politiker sollte sich mit seinen Vorstellungen auseinandersetzen.

Sei es bei Seneca, der uns noch heute aktuelle Wertvorstellungen schon vor 2000 Jahren vermittelt hat und sagt, dass sich jeder Mensch am Ende eines Tages fragen sollte, was er heute Sinnvolles getan hat und wie er sein Leben genutzt hat – klingt das nicht nach einem Tipp aus  der Coaching- und Self-Confidence-Branche unserer Zeit?

Nicht zuletzt prangern Plinius der Ältere und Ovid die menschliche Ausbeutung der Natur an, verurteilen diese und rufen somit zum Schutz unserer Umwelt auf! Gibt es momentan überhaupt ein aktuelleres Thema?

Wie kann da behauptet werden, Latein sei tot?

Wie kann da behauptet werden, das Certamen Rheno-Palatinum sei ein toter Wettbewerb?

Mit Freude und Ehrfurcht habe ich meine Hausarbeit über eben dieses Thema – den Umgang des Menschen mit der Natur bei Plinius und Ovid – geschrieben und dabei ist mir ein weiteres Mal bewusst geworden, wie dumm die Menschen doch eigentlich oftmals sind, wenn sie die gleichen Fehler machen – seit 2000 Jahren.

Beinahe hätte ich diese Beobachtung, dass schon die Römer diese Erkenntnis hatten, verpasst, da ich zuerst skeptisch war, ob ich den Anforderungen eines Lateinwettbewerbs gewachsen sei. Aber was sollte schon groß passieren, außer, dass ich in der 1. Stufe ausscheiden würde?

In das Haus der Begegnung – Ehemalige Synagoge haben mich folglich zwei glückliche Entscheidungen gebracht: Zum einen, dass ich mich damals für Latein entschied, und zum anderen, dass ich am Wettbewerb teilnehmen durfte und weitergekommen bin.

Heute kann ich sagen, dass ich mich freue, dass es das Certamen Rheno-Palatinum gibt und dass dieser Wettbewerb Begeisterung für die Alten Sprachen wecken kann und dass der Wettbewerb auf den Gegenwartsbezug des Lateinischen und des Altgriechischen aufmerksam macht!

In der Vielfalt der landes- und bundesweiten Wettbewerbe sticht das Certamen Rheno-Palatinum durch diese Eigenschaften hervor und trägt maßgeblich zum Erhalt dieser Vielfalt bei.

Ich bedanke mich daher bei Ihnen für Ihren unermüdlichen Einsatz für die alten Sprachen, sei es in Ihrer Heimat, in Ihrem Freundeskreis, im Unterricht oder durch Ihr Engagement im Certamen Rheno-Palatinum.

Weiterhin möchte ich mich bei meiner Familie und bei meiner Lateinlehrerin bedanken, dass Sie mich ermutigt haben.

Ich für meinen Teil bin dankbar für die Teilnahme am Certamen Rheno-Palatinum und die Chance, diese wertvollen Erfahrungen sammeln zu dürfen. Das macht das Certamen Rheno-Palatinum einzigartig. Meine Begeisterung an den Alten Sprachen, die das Certamen Rheno-Palatinum fördern konnte, werde ich hoffentlich ebenfalls bei anderen wecken können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Alexander Laux